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Der Glaube an sich selbst: Susanne Witzig im Interview

Bis 2015 führte die Künstlerin Susanne Witzig ein exzessives Leben zwischen Aktenordnern in einem Großraumbüro, bis sie aufgrund einer dissoziativen Bewegungsstörung einen körperlichen und seelischen Zusammenbruch erlitt und seitdem zu 90 % an den Rollstuhl gebunden ist. Es folgten Aufenthalte in Kliniken und der lange Kampf zurück in ein normales Alltagsleben. In dieser Zeit wurde klar, dass eine Gesundung nur erfolgen kann, wenn sie zu sich selbst findet. ​All die Emotionen und Erkenntnisse, die mit diesem Prozess einhergehen, zeigen sich in ihren Kunstwerken.

Wie kam es zum Verkauf Ihres ersten Kunstwerkes?

Eine Freundin hat eine Arztpraxis erworben und fragte mich im Rahmen der Umgestaltung der Praxisräume, ob ich Interesse hätte, mit einigen meiner Kunstwerke ihre Praxis zu verschönern. Ihr war es wichtig, eine positive Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, mit Bildern, die auf der einen Seite kraftvoll und energetisch sind, auf der anderen Seite dennoch Ruhe ausstrahlen.

Was schätzen die Sammler Ihrer Werke am meisten an Ihrer Kunst?

Am meisten schätzen die Käufer meiner Kunstwerke die kraftvolle Farbintensität, welche scheinbar konträr zu den beruhigenden Elementen steht. Die Betrachter fühlen sich auf der körperlichen Seite energetisch und positiv inspiriert, auf der mentalen Seite wirken die Bilder beruhigend. Dieser selten zu erreichende schmale Grat ist nach Meinung der Betrachter das, was meine Kunstwerke besonders und einzigartig macht.  

"Mit meiner Kunst möchte ich die Menschen inspirieren, immer an sich zu glauben und sich zu trauen, ihren eigenen Weg zu gehen"
(Fotograf: Frederic Balint)

Was sind Themen besonderer Bedeutung, die Sie auch immer wieder in Ihrer Kunst behandeln?

Ein besonders wichtiges Thema in meiner Kunst ist die Balance zwischen Körper und Geist, denn aufgrund einer dissoziativen Bewegungsstörung bin ich seit vielen Jahren zu 90 % an den Rollstuhl gebunden. In dieser Zeit habe ich erkannt, wie wichtig dieses Gleichgewicht ist, um ein halbwegs „normales“ Leben führen zu können und dass eine Gesundung nur erfolgen kann, wenn ich zu mir selbst finde und all die Dinge, die zu der schwerwiegenden Diagnose führten, aktiv verarbeite. So spiegeln sich in meinen Kunstwerken all die Emotionen, die mit dem Gesundungsprozess einhergehen, wider. Meine Kunst zeigt meine unbändige Willensstärke in Form von Positivität, Dynamik und Lebendigkeit. Ich male, was ich fühle und die durch meine Malerei freigesetzte Energie gibt mir die Kraft, die ich brauche, um nie aufzugeben und den Mut, immer an mich zu glauben und mich zu trauen, meinen eigenen Weg zu gehen. Genau diese Kraft und diesen Mut möchte ich an andere weitergeben.

Fotograf: Frederic Balint

Können Sie uns ein wenig mehr über die „Geometrische“-Serie erzählen?

Die geometrische Serie kristallisiert sich inzwischen als die am meisten gemalte Serie von mir heraus. Das hängt damit zusammen, dass ich beim Malen von geometrischen Bildern die perfekte Möglichkeit gefunden habe, relativ schnell wieder zu meinem Gleichgewicht zwischen Körper und Seele zu finden. Wenn ich innerlich unaufgeräumt bin und mein Kopf so viel Chaos produziert, dass ich gefühlsmäßig völlig aus dem Gleichgewicht geraten bin, hilft mir das intuitive Malen. Ich male zunächst den knalligen farbintensiven Hintergrund, der meine Energie und Beweglichkeit zum Ausdruck bringt. Danach widme ich mich den Elementen, die zum größten Teil aus geometrischen Formen, welche für mich Struktur und Ordnung symbolisieren, bestehen. Das Zusammenspiel zwischen farblicher Explosion und den geometrischen Elementen führt zu meiner Balance zwischen Körper und Geist.

An welchem Punkt in Ihrem Leben haben Sie begonnen, sich als Künstlerin zu identifizieren?

Mich als Künstlerin zu bezeichnen und auch damit zu identifizieren habe ich letztes Jahr nach einem langen Klinikaufenthalt als ich die Malerei für mich wieder entdeckt und meine ersten Kunstwerke verkauft habe. Ich spürte, dass das Malen im Rahmen der Therapie ein hilfreiches Mittel ist, zu mir zu finden. Das Malen in besonders schwierigen Situationen hat mich am Leben erhalten und es überhaupt ermöglicht, wieder einen Zugang zu meiner Seele zu bekommen und vor allem in dieser Gefühlswelt zu bleiben. Malen ist das Einzige, was ich ohne äußerlichen, - aber vor allem ohne selbst auferlegten innerlichen - Druck kann. Beim Malen fühle ich mich frei und glücklich. Zudem bekam ich von sehr vielen Seiten positives Feedback, was mich darin bestärkte, Kunst nicht nur als Therapie und Hobby, sondern als Beruf auszuüben.

Fotograf: Frederic Balint

Wie kommt es zu Ihren Ideen und wie entwickeln Sie diese?

Ich male ausschließlich intuitiv und lasse mich beim Malen von meinen Gefühlen treiben. Oft male ich, wenn ich mich in einer erstmal scheinbar unlösbaren Situation befinde. Dann tauche ich in meine Welt voller Energie, Leidenschaft und Inspiration ein und lasse alles an Emotionen raus. Dann kann es schonmal sein, dass der Hintergrund des Kunstwerkes extrem knallige Farbkombinationen bekommt, die man bewusst wahrscheinlich nie anwenden würde. Malen ist mein persönliches Abenteuer und es drückt aus, was meine Seele mit Worten nicht zu sagen vermag. Man könnte sagen, je lauter der Schrei, um so schriller die Farbe. Das Einzige, was ich bewusst beeinflusse, ist die Auswahl der Materialien, ich achte bewusst auf Qualität der Leinwände, Farben und sonstigen Malutensilien. Um noch mehr Leuchtkraft auf meinen Bildern zu erzielen, mische ich meine Acrylfarben oft mit Neonfarben.

Welche Orte / Räume haben eine besondere Bedeutung in Ihrer Kunst?

Aufgrund meiner starken körperlichen Beeinträchtigungen ist es für mich wichtig, mein Atelier in unseren Wohnräumen zu haben. Dort habe ich alle Hilfsmittel zur Verfügung, die ich je nach Tagesform benötige. An guten Tagen reicht ein manuell betriebener Rollstuhl, an weniger guten Tagen benötige ich einen elektrisch betriebenen Rollstuhl. Beides muss immer in unmittelbarer Nähe vorhanden sein, genau wie weitere Hilfsmittel. Auch ist es für mich wichtig, meine drei Kätzchen um mich zu haben, sie sind meine Seelentiere und Musen zugleich.

Fotograf: Frederic Balint

Umgeben Sie sich mit anderen Künstlern? Wie sieht Ihr Umfeld aus? Gibt es hier Menschen, die auf Ihre Kunst einen Einfluss haben?

2000 lernte ich den Arzt und Maler Dr. Heinz Werner Dittmann kennen. Er war ein großartiger Arzt, aber ein noch begnadeter Maler. Sein Umgang mit kräftigen leuchtenden Farben in seinen Bildern faszinierte mich. Ich sah seine Bilder und konnte erahnen, wie er sich dabei fühlte und welche Faszination er beim Malen gespürt hat. Künstlerisch gesehen war er mein Seelenverwandter und sein Einfluss spiegelt sich heute in meinen eigenen Kunstwerken wider. Leider ist er Ende August 2023 unerwartet von uns gegangen, was eine große Lücke in meinem Leben hinterließ. Inspirierend finde ich auch die Geschichte von Frieda Kahlo, die trotz schwerer körperlicher Beeinträchtigung einzigartige Kunstwerke geschaffen und niemals den Glauben an sich verloren hat. Das beeindruckt und bestärkt mich, denn es zeigt, dass man keinen gesunden voll funktionsfähigen Bewegungsapparat braucht, um tolle eindrucksvolle Bilder zu malen. Bewegung findet nicht mit den Armen und Beinen statt, sondern im Kopf. Ich habe in meinem sozialen Umfeld - Gott sei Dank - Menschen, die mich in meiner Kunst bestärken und mich unterstützen. Das fängt beim Besorgen von Leinwänden, Farben etc. an und geht bis über das Saubermachen nach meinen Malprozessen.

Welche Rolle spielen Innovation und Tradition für Sie?

Innovation spielt momentan eine sehr große Rolle in meinem Leben. Bisher bin ich beruflich dem bürokratischen 10 – Stunden - Wahnsinn in einem Großraumbüro nachgegangen, nun folge ich meiner Berufung, der Kunst. Als nicht studierte Künstlerin ist das ein besonderes Wagnis, da frei ernannte Künstler*innen oftmals belächelt und nicht ernst genommen werden. Ich gehe dennoch diesen Weg, weil ich an das glaube, was ich tue und weil ich glaube, dass es meine große Chance ist, glücklich zu sein. Mir ist bewusst geworden, dass ich meine Balance zwischen Körper und Geist niemals in einem Großraumbüro finden werde. Bislang habe ich mein ganzes Leben gegen mich selbst gekämpft und letztendlich doch verloren. Jetzt ist es mal an der Zeit, zu gewinnen

Chaos & Symmetrie - 80x80cm

Gibt es ein Kunstwerk in Ihrem Leben, dass Sie besonders beeindruckt hat?

Klingt es vermessen und arrogant, wenn ich sage, dass ich von meinen eigenen Kunstwerken beeindruckt bin? Es gibt natürlich viele Kunstwerke, die mich in meinem Leben beeindruckt haben, aber die Frage ist ja, würde ich mir das Kunstwerk in meine eigenen vier Wände hängen. Da muss ich ganz klar sagen, dass bisher bis auf ein, zwei Ausnahmen nur eigene Kunstwerke meine Wände geschmückt haben. Ich brauche in erster Linie einen persönlichen Bezug zum Kunstwerk oder Künstler und ich muss es vor allem fühlen können. Da ich am nahesten an mir selbst dran bin, liegt es daher auf der Hand, nur meine eigenen Kunstwerke aufzuhängen.

Was ist ihr Alleinstellungsmerkmal, mit dem Sie sich von anderen Künstlern unterscheiden?

Ein Alleinstellungsmerkmal ist die Kombination, der von mir verwendeten leuchtenden kräftigen Farben und der dargestellten Elemente. Viele Rückmeldungen bekomme ich in der Form, dass die Betrachter von der enormen Farbintensität meiner Kunstwerke fasziniert sind und dass diese positive Gefühle und gute Laune vermitteln. Das schönste Kompliment für mich ist, wenn Betrachter sagen, dass sie sich in meinen Bildern und den vielen Details verlieren, aber gleichzeitig auch wiederfinden. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist, dass es nur wenige Menschen gibt, die an einer dissoziativen Bewegungsstörung in dem Ausmaß erkranken, dass sie halbseitig fast gelähmt sind und 90 % ihres Lebens in einem Rollstuhl verbringen müssen. Noch weniger Menschen gibt es, die diese Diagnose für sich akzeptieren und bereit sind, sie anzunehmen, denn leider sind psychische Krankheiten nach wie vor in unserer Gesellschaft sehr stigmatisiert. Ich habe die Malerei als große Chance und als Weg der Heilung für mich entdeckt. Mein Glaube an mich und meine Malerei werden einen großen Anteil am Gesundungsprozess haben. Den Entschluss, als Künstlerin zukünftig offensiv damit umzugehen, um in der Gesellschaft dieses Tabuthema zu brechen und das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken, habe ich bewusst getroffen. Ich möchte anderen Betroffenen den Rücken stärken und zeigen, dass Kunst keine Behinderung kennt und man nie den Glauben an sich verlieren darf.  

Fotograf: Frederic Balint

Haben Sie aktuelle oder zukünftige Projekte, über die Sie gerne sprechen möchten?

Derzeit arbeite ich mit einer Marketingagentur in Berlin zusammen, die mich bei allen Prozessen unterstützt und mich sozusagen etwas an die Hand nimmt, wenn es um künftige Projekte, wie Medienauftritte oder Ausstellungen geht. Natürlich habe ich eine Vision, die gelebt werden will und muss. Ich möchte mich mit meinen Kunstwerken der Welt zeigen und deshalb dürfen alle gespannt sein, wohin mich meine Reise in nächster Zeit führen wird.

Verfügbare Kunstwerke und Informationen zu Susanne Witzig unter:

https://www.susannewitzig.de

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